Instagram-Story hier, YouTube-Short dort – Social Media ist längst ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Fast überall wird man mit perfekt inszenierten Bildern konfrontiert: Sei es der austrainierte Körper, das luxuriöse Leben oder die Alpha-Pose am Strand. Vor allem Männer spüren den Druck, in dieses Idealbild zu passen – ein Bild, das immer öfter durch Anabolika und übersteigerte Selbstdarstellung befeuert wird. Doch was steckt hinter dieser neuen Form toxischer Männlichkeit, und wie kann man ihr aktiv entgegentreten?
Die Rolle von Social Media bei der Konstruktion von Männlichkeit
Visuelle Reize und das Streben nach Anerkennung
Eine Studie der Universität Harvard zeigt, dass visuelle Plattformen wie Instagram die Tendenz zum sozialen Vergleich verstärken. Männer wollen nicht nur mithalten, sondern übertrumpfen. Immer mehr Filter, immer extremere Trainingsmethoden, immer teurere Statussymbole – die Messlatte des sogenannten „Alpha-Egos“ wird dabei stetig höher gelegt.
Unrealistische Körperideale
• Viele Influencer präsentieren ihren Körper in Bestform, oft gestützt durch extreme Diäten, Supplements oder gar verbotene Substanzen.
• Die Tagesschau berichtete kürzlich über den steigenden Missbrauch von Anabolika gerade bei jungen Männern, die sich über soziale Netzwerke informieren und austauschen.
• Ein negatives Körperbild („Body Dysmorphia“) kann sich verstärken, je öfter man retuschierte Bilder oder perfekte Inszenierungen sieht.
Der Kreislauf des ‘Alpha-Egos’
Social-Media-User beobachten Erfolgsposts: Die Likes häufen sich, die Follower-Zahlen wachsen – und mit ihnen das Ego. Zeigt man Schwäche, verliert man Reichweite; zeigt man Härte, gewinnt man Applaus. So ensteht eine digitale Bühne, auf der toxische Männlichkeitsmuster immer weiter reproduziert werden.
Anabolika: Wenn das Streben nach Muskeln zum Risiko wird
Schnelle Erfolge – langfristige Schäden
Anabolische Steroide werden häufig in Bodybuilder-Kreisen eingesetzt, um schneller Muskeln aufzubauen. Doch der gesundheitliche Preis ist hoch: Herzprobleme, Leberschäden und hormonelle Störungen können die Folge sein. Laut einer Veröffentlichung im „Deutschen Ärzteblatt“ liegt die Dunkelziffer des Anabolika-Missbrauchs in Fitnessstudios deutlich höher, als offizielle Zahlen vermuten lassen.
Wieso greift man zu Steroiden?
• Schneller Muskelaufbau: Die Versuchung, in wenigen Wochen einen durchtrainierten Körper zu bekommen, ist groß.
• Außenwirkung: Wer in der Social-Media-Welt glänzen will, braucht ein herausragendes Erscheinungsbild – so das gängige Narrativ.
• Männlichkeitsdruck: Das Gefühl, nur als muskulöser „Alpha“ wertvoll zu sein, kann psychischen Stress erzeugen, den man auf ungesunde Weise kompensiert.
Tabak, Alkohol und andere Substanzen als Flucht
Wer den Druck spürt, greift häufig auch zu weiteren Hilfsmitteln, um dem Stress zu entfliehen. Manche konsumieren vermehrt Alkohol, andere setzen auf Tabak oder sogar illegale Drogen. Diese Kompensationsmechanismen sind Ausdruck eines tief sitzenden Problems: einer toxischen Vorstellung davon, was „stark“ und „männlich“ zu sein bedeutet.
Gegenmaßnahmen: Was man aktiv tun kann
Kritisches Hinterfragen von Social-Media-Inhalten
• Falsche Vorbilder entlarven: Nicht alles, was auf Instagram glänzt, ist Gold.
• Eigene Grenzen wahrnehmen: Möglicherweise motivieren manche Profile, die meisten setzen jedoch auf Übertreibung und Idealisierung.
• Detox-Phasen einlegen: Bewusste Social-Media-Pausen können helfen, den eigenen Selbstwert nicht von Klicks oder Likes abhängig zu machen.
Ehrlicher Austausch und Aufklärung
• Männergruppen und Foren: Wer sich im privaten Umfeld nicht verstanden fühlt, kann in moderierten Online-Gruppen einen offenen Austausch finden.
• Professionelle Hilfe: Psychologische Beratungsstellen oder Therapeuten können Orientierung bieten, wenn sich körperliche und psychische Belastungen manifestieren.
• Aufklärungskampagnen: Vor allem junge Männer brauchen frühe Informationen zu den Risiken von Anabolika und den Folgen toxischer Geschlechterrollen.
Neue Rollenbilder schaffen
• Emotionen zulassen: Verletzlichkeit als Stärke anzuerkennen, kann helfen, das traditionelle „Alpha“-Bild aufzubrechen.
• Ganzheitliche Gesundheit: Nachhaltige Fitnessprogramme mit Fokus auf Gesundheit statt reiner Muskelästhetik etablieren.
• Diversität: Im Netz braucht es mehr männliche Vorbilder, die unterschiedlich sind – körperlich, charakterlich und in ihren Lebensmodellen.
Ein bewussterer Umgang mit Männlichkeit
Toxische Männlichkeit und Social Media gehen in vielen Fällen Hand in Hand. Plattformen wie Instagram verstärken die Verbreitung von extremen Körperidealen und Alpha-Egos, während Anabolika und andere Substanzen als „schneller“ Weg zum Traumkörper verlocken. Langfristig wird sich jedoch eine Gegenbewegung durchsetzen – und teilweise ist sie bereits sichtbar. Immer mehr Männer brechen mit traditionellen Rollenerwartungen und stellen emotional offener und reflektierter ihre Persönlichkeit dar.
Gerade die jüngere Generation erkennt die Schattenseiten des durchinszenierten Online-Auftritts. Es entstehen immer mehr Kanäle, die den Wert des echten Miteinanders, der natürlichen Fitness und der psychischen Gesundheit betonen. Organisationen und Influencer machen sich für Aufklärung, Sensibilisierung und realistische Körperbilder stark. Damit wächst das Bewusstsein, dass Männlichkeit weit mehr ist als ein muskulöser Körper und ein übersteigertes Ego.